Die Sparkasse Leipzig setzt offenbar Kunden vor die Tür, die einen unbefristeten Sparvertrag des Modells „PrämienSparen flexibel“ abgeschlossen haben. Das berichtet die Leipziger Anwaltskanzlei „Stolpe Rechtsanwälte“ in einer Pressemeldung vom Dienstag. Betroffen seien alle Verträge, die seit 15 Jahren bespart und laut Vertrag keine befristete Laufzeit vorsehen.

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Die betroffenen Sparverträge waren bereits Mitte der 90er Jahre beworben worden, zu einer Zeit, als der Zins noch reichlich sprudelte. Das Modell: wer 15 Jahre lang regelmäßig spart, kann sich über eine immer höhere Prämie freuen, die schließlich bis zu 50 Prozent der Jahressparrate ausmacht. Doch im Niedrigzins haben die Sparkassen Probleme, ihre damaligen Versprechen zu erwirtschaften. Folglich will sie sich von den alten Zinsversprechen befreien.

Rechtsanwalt Stefan Göring kommentiert: „Dies führt bei den Kunden der Sparkasse Leipzig zu Unmut und Unverständnis, denn eine Zinserwirtschaftung ist damit ausgeschlossen und die ursprünglich langfristig geplante Altersvorsorge in der ohnehin angespannten Zinslage gefährdet.“ Die Kanzlei vertritt selbst mehrere Verbraucher, die gegen die Sparkassen klagen wollen.

Voller Bonusanteil erst nach 15 Jahren

Tatsächlich sind die Kündigungen für die Sparer ärgerlich. Denn die Sparverträge sehen vor, dass der volle Bonusanteil erst nach eben jenen 15 Jahren Sparphase erreicht werden soll. Bis zu 50 Prozent zusätzlich sollten die Sparer als Prämie auf die eingezahlten Beiträge des abgelaufenen Sparjahres erhalten. Und genau damit hatten die Sparkassen auch um Kunden geworben. Nun zahlen die Sparkassen diesen hohen Zins genau ein Jahr und schicken den Sparern dann im 16. Jahr die Kündigung ins Haus.

Wie viel Sparer genau betroffen sind, dazu machte weder die Anwaltskanzlei noch die Sparkasse genaue Angaben. Die Leipziger Volkszeitung sprach bereits Ende Februar von „tausenden Verträgen“. Auch die Verbraucherzentrale Sachsen berichtete per Pressemeldung, dass rund 300 Kunden des Sparbriefes sich an sie gewendet hätten.

Die Sparkasse begründet die Kündigungen mit dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld. „Die hohen Prämienzahlungen entsprechen nicht mehr den Gegebenheiten des Kapitalmarktes. Wir passen die unbefristeten Verträge jetzt den Realitäten an“, erklärte Sparkassensprecher Frank Steinmeier gegenüber dem Versicherungsboten.

Zudem betonte Steinmeier, dass ausschließlich das zeitlich unbefristete Produkt „PrämienSparen flexibel“ von den Kündigungen betroffen sei. Sparverträge hingegen, die in den Jahren 1994 bis Frühjahr 2016 abgeschlossen wurden und eine Mindestlaufzeit von 15 bis 25 Jahren vorsehen, würden nicht gekündigt. Diese Kunden würden die vollen Prämienzahlungen bis zum Ende der Vertragslaufzeit erhalten.

Werbeprospekte von „PrämienSparen flexibel“ zeigten Modellrechnungen von 25 Jahren und länger

Dürfen also die Verträge von „PrämienSparen flexibel“ nach 16 Jahren einfach gekündigt werden, obwohl sie keine feste Mindestlaufzeit im Vertrag vorsahen? Die Anwaltskanzlei Stolpe schätzt die Situation anders ein.

Zwar habe die Sparkasse in ihren Verträgen tatsächlich keine feste Vertragslaufzeit genannt. Aber das Institut habe in den damaligen Werbeprospekten Modellrechnungen aufgezeigt, die eine Laufzeit von 25 Jahren und länger vorsahen. Damit werde eine entsprechend lange Laufzeit Vertragsbestandteil, erklärte die Anwaltskanzlei auf Anfrage des Versicherungsboten. Nach Einschätzung der Rechtsanwälte sind die Kündigungen rechtswidrig. Einen Widerspruch würde die Sparkasse aber derzeit nicht akzeptieren und stattdessen auf die Schlichtungsstelle des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes verweisen.

In der Pressemeldung von Stolpe Rechtsanwälte heißt es hierzu: „Eine ähnliche Kündigungswelle gab es vor Jahren bereits in Bayern. Dort wurden zahlreiche Kündigungen durch die Gerichte für unwirksam erklärt. Die Anlage war damals mit einer festen Laufzeit von 25 Jahren ausgeschrieben worden, so dass eine frühere Kündigung ausscheidet. Das Argument der Niedrigzinsphase ließen die Richter des Landgerichtes Ulm nicht gelten“. Es gelte der Grundsatz, dass einmal geschlossene Verträge auch einzuhalten seien, berichtet die Anwaltskanzlei weiter.

Verbraucherzentrale Sachsen warnt vor Umdeckungen

Ähnlich äußert sich die Verbraucherzentrale Sachsen. "Im aktuellen Leipziger Geschehen haben wir Unterlagen gesehen, aus denen ein auf den Tag genau bezeichnetes Vertragsende nach 30 Jahren Laufzeit hervorgeht und wir kennen auch Werbeunterlagen mit avisierten Laufzeiten bis zu 25 Jahren", berichtet Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale. Auch die Verbraucherschützer raten, sich nicht einfach aus den Verträgen drängen zu lassen.

Dabei versucht die Sparkasse Leipzig offenbar auch, die guten Verträge von damals in weniger günstige umzudecken. So beobachtet die Verbraucherzentrale Sachsen, die Kunden würden zu einem Beratungsgespräch in die Bankfiliale geladen. "Wie uns Verbraucher berichten, wird in diesem dann versucht, die gut verzinsten Sparverträge zu beenden", informiert Andrea Heyer. "Das Geld soll dann in eine andere Sparform oder in Fonds investiert werden." Diese neuen Produkte würden oft schlechtere Konditionen bieten.

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Brisant: Auf der Webseite "sparkasse.de" wird das Modell "PrämienSparen flexibel" noch immer von einigen regionalen Sparkassen beworben. "Ihre Ausdauer wird belohnt", heißt die dazugehörige Werbebotschaft etwa bei der Saalesparkasse Halle. Allerdings werden nun kleinere Brötchen versprochen. In den ersten fünf Jahren gibt es maximal 0,3 Prozent Zinsen auf den jährlichen Sparbetrag, der sich dann bis zum zehnten Jahr stufenweise auf 1,0 Prozent erhöht. Erst ab dem zehnten Jahr kann der Kunde auf zehn Prozent jährlichen Zins hoffen. Und im elften Jahr kommt die Kündigung von Seiten des Geldinstitutes? Die Sparkasse Leipzig betonte gegenüber dem Versicherungsboten, sie biete das Modell bereits seit 2006 nicht mehr an.

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